Sortierkontor Nord – ein Flagship in Deutschland

Nehlsen setzt neue Maßstäbe. Am Standort Wilhelm-Karmann-Straße in Bremen entsteht zurzeit die modernste Sortieranlage für Leichtverpackungen. Wie weit der Bau ist und welche Kapazitäten die Anlage hat, wird uns Thorben Meppelink im Interview beantworten. Thorben Meppelink, seit 2016 bei Nehlsen, ist Leiter des Zentralbereich Technik und Geschäftsführer der neuen Sortieranlage. Ich habe die Möglichkeit genutzt um ihn unter anderem zu seinem Karriereweg zu befragen.

1. Wie ist Ihr Karriereweg verlaufen?
Ich bin ein Quereinsteiger. Ich selber bin erst vor drei Jahren in die Recyclings- und Entsorgungsbranche gewechselt. Ich war damals leitender Schiffsingenieur. Das ist auch mein Ausbildungsweg gewesen. Ich habe damals Schiffsmechaniker gelernt und anschließend Schiffsbetriebstechnik studiert. 2016 habe ich aus familiären Gründen meinen Rückzug aus der aktiven Seefahrt gesucht. Zu dem Zeitpunkt hat Nehlsen den Aufbau eines Hauptbereichs für Stoffströme und Anlagen vorangetrieben und so dürfte ich beim Aufbau des heutigen Zentralbereichs für Anlagen mitwirken. Zum Anfang standen wir nur für technische Fragen zur Verfügung. Beispielsweise wie kann man besser Schreddern oder ähnliches. Natürlich habe ich auch eine gewisse Einarbeitungszeit gebraucht, aber durch meine vorherige Ausbildung und den Kollegen bei Nehlsen lief die Einarbeitung reibungslos.

2. Was genau ist das Sortierkontor Nord?
Die Sortierkontor Nord GmbH & Co. KG ist zunächst der Name unserer Projektgesellschaft. Die SKN umfasst hauptsächlich eine Sortieranlage für Leichtverpackungen. Die Geschäftsleitung übernehmen zurzeit Tristan Merk (Prokurist) von PreZero und ich (Geschäftsführer). PreZero kümmert sich um die Maschinen- und Anlagentechnik, während wir uns auf Baugenehmigungen konzentrieren. Zurzeit hat das Sortierkontor Nord also zwei Mitarbeiter (lacht). Aber da folgen noch welche.

3. Welchen Nutzen bringt das SKN für Nehlsen?
Für Nehlsen ist es der Wiedereinstieg in das LVP-Geschäft. Nachdem wir schon vor einigen Jahren unsere alte LVP-Anlage in der Hüttenstraße geschlossen haben und in Soltau bei Cohrs noch eine alte Anlage weiter betreiben. Wir haben jetzt die schöne Möglichkeit mit einem sehr leistungsfähigen Partner (PreZero) zusammen und einer Anlage, die dem heutigen Stand der Technik entspricht, wieder tief in das Geschäft einzusteigen. Gleichzeitig erhoffen wir uns mit der Kooperation mit PreZero noch tiefer in die Stoffströme vorzudringen.

4. Welche Kapazitäten hat die Anlage jährlich?
Genehmigt nach BlmschG sind 150.000 Tonnen Jahresmenge, aber das werden wir nicht ganz ausreizen. Gerade am Anfang wird natürlich weniger gefahren, da wir zu Beginn nur mit einem Ein-Schicht-Betrieb arbeiten. Haben je nach Qualitätsziel noch die Möglichkeit den Durchsatz ein bisschen zu drosseln. Das ist üblich in dem Geschäft, dass man gerade schaut, ob in gewissen Situationen höhere Qualität oder Quantität zielführender ist. Ziel ist es aber circa 20 Tonnen die Stunde und 120.000 Jahrestonnen durchzusetzen.

5. Wann soll die Anlage in Betrieb gehen?
Wir müssen im Dezember 2020 fertig sein. Da gibt es auch nicht viel daran zu rütteln. Da die LVP-Lizenzverträge ab Januar loslaufen, d.h. das Geschäft muss dann soweit vorbereitet sein. Dazu zählen Mitarbeiter, betriebsbereite Anlage, usw. Der Probebetrieb ist für die letzten zwei Monate vorgesehen. Hier ist noch nicht alles fixiert, allerdings ist der Stichtag fest.

6. Wie weit ist der Bau? Welche Maßnahmen stehen zurzeit an?
Wir konzentrieren uns im Wesentlichen darauf die Fundamentplatten für die Maschinenhallen reinzubringen. Das ist für uns der zeitkritischste Pfad des ganzen Projekts, weil im Juni die Maschinenbauer schon kommen, d.h. bis dahin müssen die Hallen stehen. Ist natürlich sehr wetterabhängig. Nebenbei laufen natürlich noch weitere Genehmigungsverfahren.

7. Welche Etappen sollen in den nächsten Monaten erreicht werden?
Wir arbeiten sozusagen von unten nach oben. Sie können sich das so vorstellen, dass wir als erstes die ganzen Rohrleitungen der sog. Unterirdischen Wirtschaft eingebracht haben. Dann wird obendrüber die Planum eingestellt, darauf kommt anschließend die Sohle und die Fundamente. Danach werden wir anfangen, circa im April, die sog. Binder aufzustellen, daran wird die Halle gebaut. Dies muss bis zum 01.06.2020 soweit fertig sein für die Maschinenbauer. Wir sind beim Terminplan aber auch so anspruchsvoll, dass wir gleichzeitig die Halle weiter fertigbauen und der Maschinenbauer hinterzieht.

8. Welche Vorteile hat der Standort Bremen?
Wir haben hier eine sehr gute Infrastrukturanbindung. Wenn der Wesertunnel fertig sein wird, ist sie sogar hervorragend. Weiterhin genießen wir hier den Vorteil, dass wir in einem sogenannten Industriegebiet sind, d.h. wir haben hier eines der letzten genehmigungsfähigen Flächen überhaupt. Gleichzeitig versprechen wir uns aber auch Synergien mit dem Standort Hüttenstraße, wo wir einen Teil der Instandhaltung mitabdecken können.
Wenn wir eine Flagship-Anlage im dualen Systembereich von Deutschland hinstellen, ist es natürlich schon sehr gut, wenn wir da am Puls sind.

9. Wo kommt der Input her? Wo geht der Output hin?
Das ist eine sehr schwierige Frage. LVP-Geschäfte laufen anders, da hier eine ganze Reihe von Lizenzen und Ausschreibungen hinter hängt. Man kann aber schon sagen, dass das Ganze aufgrund der Wirtschaftlichkeit der Logistikkosten sich sehr wahrscheinlich im Bereich von mehr oder weniger 200 Kilometer Radius um die SKN konzentrieren wird. Es ist in Einzelfällen auch immer möglich, dass man Mengen auch von weiter weg hierherholt, um bspw. einem anderen auszuhelfen. Wir haben hier den normalen Einzugsraum im nordwestdeutschen Bereich.
Die Frage nach dem Output ist eine noch kompliziertere. Vermarktet wird letztendlich natürlich bundesweit und in Teilen auch im europäischen Ausland. Man kann das nicht so recht vorhersagen, weil der Markt für Plastik- oder Kunststoffrezyklate relativ beschränkt ist. Es ist im Moment unsere Aufgabe, Absatzwege zu suchen, die vor allem erstmal den Massestrom in Gänze absichern. Wir werden mit PreZero zusammen „best practise“ machen, d.h. derjenige, der den Output besser vermarkten kann, der macht es dann. An welche Aufbereiter das Ganze nachher gehen wird, lässt sich in der Regel schwer vorhersagen. Natürlich haben wir aber hier schon einige Kandidaten. Diese Aufgabe wird im zweiten Quartal dieses Jahres noch ganz intensiv auf uns zukommen.

Vielen Dank für das spannende und lehrreiche Interview, Herr Meppelink.

*Das Interview haben wir im Februar geführt*

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